Martin Luther sagte:
Die Heilige Schrift ist ein Kräutlein.
Je mehr du sie reibst, desto mehr duftet sie.
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DIE JÜDISCHE UND CHRISTLICHE HEILIGE SCHRIFT
Historisch-kritische-Exegese – Auslegung der Schriften aus der historischen und kritischen Perspektive
Aufgabe 1:
Schreibe Dir die wichtigsten Aspekte des folgenden Abschnittes (samt Nachtrag) auf!
Historisch-kritische Exegese ist ein Kind der Verbindung des Protestantismus mit der Aufklärung. Es geht darum, die Bibel besser zu verstehen, sie aus ihrer Zeit heraus zu verstehen – damit wurden Gegenpositionen eingenommen gegen willkürliche Bibelauslegungen. Andere Religionen tun sich damit noch sehr schwer (wobei es auch in der Evangelischen Kirche immer wieder massive Kritik daran gibt), weil der spirituelle Ertrag gering ist. Die historisch-kritische Exegese hat ein wissenschaftliches Weltbild und versucht, alles wissenschaftlich zu eruieren, während das Weltbild der Religionen eher ein spirituelles ist: Nicht geht es darum, was kann ich aus irgendwelcher Perspektive heraus als korrekt interpretieren, sondern: Wie kann ich meine Beziehung zu Gott/Göttern/Geistern verbessern. Historisch-kritische Exegese hat jedoch nicht nur wissenschaftliche Bedeutung, sondern auch Bedeutung für die Frage nach dem Verhältnis des Glaubenden zu Gott; sie kann es streckenweise sogar vertiefen.
Es gibt also unterschiedliche Formen der Exegese: wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Versuche, die Texte zu verstehen und zu interpretieren. Die nichtwissenschaftlichen Versuche scheinen wissenschaftlich orientierten Menschen willkürliche Auslegungen zu sein, sind manchmal auch äußerst sonderbar und lassen die Absicht erkennen: Nicht der Text redet, sondern der, der in den Text etwas hineininterpretiert. Die wissenschaftlichen Versuche sind manchmal Menschen suspekt, die eine besondere Vorstellung von dem haben, was „Wort Gottes“ ist.
Anmerkungen
Historisch-kritische Exegese ist auch im Gegenüber und als Kritik an der Kirche entstanden. Stimmt das, was in der Kirche verkündigt wird? (a) Aber auch: Stimmt das, was in der Bibel steht? (b)
(a) Was die Kirche betrifft: Glaube ist immer Veränderungen unterworfen. Er wird der jeweiligen Zeit angepasst, den Bedürfnissen der Menschen der jeweiligen Zeiten, denen, die das Sagen haben. Was hat sich eigentlich im Laufe der Jahrtausende verändert? Wieweit wird nicht mehr das gelehrt, was die Bibel lehrt, sondern das, was die Menschen in sie hineinlesen? Gibt es in der Bibel schon die in Kirchen etablierten Hierarchien? Um nur ein paar Fragen zu nennen.
(b) Aber stimmt das überhaupt, was in der Bibel steht? Die Aussagen biblischer Schriften werden der Vernunft (s.o.: Aufklärung) unterworfen. Konnte Jesus Wunder tun? Konnte Jesus von den Toten auferstehen? An diesen Fragen entzündete sich viel historische Kritik. Der Verstand sagt: Nein. Was wollten also diese Texte sagen? Sind sie Betrug? Oder: Welche Aussagen der Bibel stimmen mit den archäologischen Befunden überein, was widerspricht ihnen. Was finden wir in historischen Texten außerhalb der Bibel zu den jeweiligen dort berichteten Ereignissen? Gab es die Stämme Israels oder sind sie nur ein nachträgliches Konstrukt? Wie hat sich der Jahwe-Gott-Glaube in vorisraelischer und israelischer Zeit entwickelt. Gab es Abraham, Moses? In welchen Zusammenhängen haben wir Spannungen innerhalb der Texte, die anderes erschließen lassen, als sie sagen? Auch hier, die gestellten Fragen sind unendlich.
Das ist das kritische Element der historisch-kritischen Exegese. Im Laufe der letzten ca. 300 Jahren hat man eine Menge herausgearbeitet, man hat vieles herausgefunden, was nicht ganz richtig ist, was neu interpretiert werden musste; aber auch: man ist sehr vielen Vermutungen nachgegangen, auf falschen Wegen herumgeirrt. Wie es in historischen Wissenschaften üblich ist. Manchmal war man schlauer als die Autoren, manchmal erkannte man, dass die Autoren eben Menschen sind, die ihre Zeit aus ihrer Zeit heraus interpretieren, wie wir auch heute unsere Zeit interpretieren und dabei manchmal daneben liegen, Ereignisse manchmal hellsichtig durchschauen. Manchmal konnte man mit der Bibel in der Hand im Israel der Gegenwart Wasserquellen auffinden. Die Bibel wird als Menschenwort ernst genommen. Das aber nur vordergründig. Zunächst wird alles misstrauisch in Frage gestellt, was die Menschen geschrieben haben – ohne einen wissenschaftlichen Beweis dafür zu haben, dass das Misstrauen gerechtfertigt ist. Von daher klaffen manchmal Glaube und Wissenschaft mit Blick auf die Bibel weit auseinander.
Zum Thema „Wort Gottes“ – siehe unten.
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Kurze Hinweise zur Historisch-kritischen Exegese in anderen Religionen:
- Der Koran wird als Allahs Wort angesehen, dem Mohammed durch den Engel Gabriel diktiert wurde. Von daher darf der Koran vom Islam her gesehen, nicht historisch-kritisch ausgelegt werden (was sich freilich auf Dauer zumindest in Europa und den USA nicht vermeiden lässt – und wenn es durch christliche Exegeten bzw. Religionswissenschaftlern geschieht). Es gibt auch in islamischen Bereichen die Rede von „historisch-kritisch“ – aber sie ist nicht im streng wissenschaftlichen Sinn „historisch-kritisch“, sondern hat ein besonderes Vorzeichen, so die Auslegung von Hazrat Mirza Ghulam Ahmad, dem Begründer der islamischen Sondergruppe. Das heißt, der Koran wird aus der Perspektive des Religionsgründers der Ahmadiyya ausgelegt. Ansätze historisch-kritischer Exegese gibt es manchmal im Zusammenhang der Hadithe: die Trennung zwischen starken und schwachen, also solchen, die man akzeptiert und – unter Berücksichtigung der Überliefererkette – auf Mohammed zurückführt, und solche bei denen man dieses Kriterium nicht anwenden kann.
- Buddhistisch/Hinduistische heilige Schriften sind für Europäer sehr kompliziert, werden darum nur in kleinen Teilbereichen historisch-kritischer Exegese unterzogen. Ob Buddhisten/Hindus das selbst bewerkstelligen, entzieht sich meiner Kenntnis.
Aufgabe 2:
Gib mit eigenen Worten die Aussagen der beiden oben genannten Punkte vergleichend wieder.
Wie verstehen Christen aus der Perspektive der historisch-kritischen Exegese die Aussage:
Aufgabe 3a:
Bevor Du den folgenden Abschnitt liest, was denkst Du über die Aussage: „Die Bibel ist Gottes Wort“? Schreibe auf, was Du denkst.
Christen verstehen darunter: Gott spricht durch Menschen, aber die Menschen bleiben immer sie selbst, mit ihren Ängsten, Vorlieben, Gedanken. Worte, die sie überliefert haben, können einem anderen Menschen zu Gottes Wort werden – und je mehr man sich mit diesen Texten beschäftigt, desto mehr sieht man die Besonderheit, die Herausforderung, das Göttliche dieser Texte an: Sie lenken Menschen auf ganz neue Bahnen…
Grundsätzlich hat die Bibel jedoch eine andere Stellung als der Koran. Während für Muslime der Koran das Wort Gottes/Allahs ist, das von einem Buch, das im Himmel ist, Wort für Wort kopiert wurde, ist für Christen der Mensch Jesus Christus das „Wort“ Gottes (Johannesevangelium Kapitel 1: Logos). Das bedeutet: Das Wort ist nicht in einer schriftlichen Überlieferung fixiert, sondern lebendig. Freilich auch von der schriftlichen Überlieferung nicht gänzlich losgelöst, weil durch sie Jesus als Wort Gottes bekannt wird. Von hier aus gesehen fällt es Christen leichter, die Bibel historisch-kritisch zu lesen als Muslimen.
Aufgabe 3b)
Lies die Auszüge aus der „Barmer-Theologischen-Erklärung“: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/kirche/glaubensbekenntnisse/ (Abschnitt 4).
Was wird in der Barmer-Theologischen-Erklärung zum Thema Bibel und Wort Gottes gesagt?
Bibel und Historisch-kritische Exegese
1. Bibel:
1.1 Die Bibel (Altes Testament) ist eine Sammlung von Schriften, die in einem langen Zeitraum hindurch entstanden sind: einer Phase mündlicher Erzählungen folgte eine Phase der Verschriftlichung (zunächst vor allem am Hof Salomos [um 1000-900 vor Christus]). Im Laufe der weiteren jüdischen Geschichte wurden diese Texte überarbeitet, neue Texte wurden geschrieben. Texte unterschiedlichster Gattung wurden zusammengefügt: Historische Texte, Biographische (Propheten), Kurzgeschichten (Jona), Weisheitstexte, Lieder (Psalmen)… Kanonisch festgelegt wurden sie im 1. Jh. nach Christus – wobei es schon frühere Ansätze gab (z.B. die griechische Übersetzung, die so genannte Septuaginta). Kanonisch festgelegt heißt: Eine Auswahl von Schriften wurde zu einem „Kanon“ zusammengeführt, sie bilden den Maßstab des Glaubens, sie sind für den Glauben von hoher Verbindlichkeit.
1.2 Der hebräische Kanon (den Luther für seine Übersetzung aufgenommen hat) ist kürzer als der griechische Kanon (Septuaginta, die von der katholischen Kirche aufgenommen wurde). Die Schriften, die die griechische Übersetzung über den hebräischen Kanon hinaus hat, nennt man Apokryphen. Daneben kennen wir eine Fülle weiterer Schriften vor allem aus der vorchristlichen Zeit, die nicht in den Kanon aufgenommen worden sind, die nennt man überwiegend Pseudepigraphen, weil sie im Namen einer alttestamentlichen Person geschrieben worden sind.
Aufgabe 4a: Lies das 3. Kapitel des Buches Tobit: https://www.bibleserver.com/LUT/Tobit3 Raphael ist ein Engel. Von diesem Buch kommt die Vorstellung des Schutzengels in unsere Breiten. Was ist passiert? (Soweit Du es aus dem Kapitel erschließen kannst.)
1.3 In Höhlen von Qumran am Toten Meer wurden zahlreiche Tonkrüge mit Schriften entdeckt, die vermutlich im Zusammenhang des Römisch-jüdischen Krieges dorthin ausgelagert worden waren. Unter den Texten befinden sich auch zahlreiche Schriften, die in dem alttestamentlichen Kanon Eingang gefunden haben. Trotz einzelner Abweichungen ist erstaunlich, dass die Texte über Jahrhunderte hinweg ohne gravierende Veränderungen tradiert worden sind. Warum? Weil sie als heilige Texte angesehen wurden. Texte, die fehlerhaft abgeschrieben worden sind, wurden aus dem Verkehr gezogen.
Aufgabe 4b: Lies: https://www.n-tv.de/wissen/Raetsel-um-Qumran-Texte-ist-loesbar-article1929586.html Notiere die Aussagen, die Du als besonders wesentlich ansiehst.
1.4 Die Bibel (Neues Testament) ist eine Sammlung von Schriften, die im Wesentlichen innerhalb von ca. hundert Jahren zusammengestellt wurde. Jesus wurde ca. 30 n.Chr. hingerichtet. Die ersten Schriften entstanden bis ca. 20 Jahre nach seinem Tod (Paulusbriefe/Logienquelle). Die Logienquelle ist eine Sammlung von Worten Jesu, die man aus den Evangelien des Matthäus und Lukas extrahieren kann. Das erste Evangelium (Markus) wurde ca. 40 Jahre nach dem Tod Jesu fertiggestellt. Es lässt damit auch höchst wahrscheinlich Augen- und Ohrenzeugen zu Wort kommen. Die Paulusbriefe – von denen der 1. Thessalonicherbrief der älteste Brief ist, geschrieben 50/51 in Korinth – wurden wohl zuerst von seinen Anhängern gesammelt, die Evangelien von Gemeinden, die mehr über Jesus Christus wissen wollten.
1.5 Neben den Schriften, die im Neuen Testament aufgenommen wurden, kennen wir eine Fülle weiterer Schriften aus den ersten Jahrhunderten des Christentums. Weitere Evangelien, Apostelgeschichten (sie werden im Wesentlichen „Pseudepigraphen“ genannt), Texte von Apologeten (Menschen, die den christlichen Glauben gegen Angriffe aus der heidnischen Welt verteidigten), Abhandlungen zu vielen Themen usw. Kanonisch wurden aber nur Schriften, die eine große zeitliche Nähe zum Jesusereignis hatten.
Aufgabe 5:
a) Notiere: Was bedeutet „Kanon“? Was sind Apokryphen? Was sind Pseudepigraphen? Was bedeutet: „Septuaginta“? Was ist das besondere an „Qumran“? Wer verbirgt sich hinter der Bezeichnung „Apologeten“?
b) In welchem Jahrhundert sind die neutestamentlichen Schriften entstanden? Im 5. Jahrhundert – im 3. Jahrhundert – im 1. Jahrhundert?
c) Es wird behauptet, das Neue Testament kann gar nichts Richtiges über Jesus sagen kann, da es erst Jahrhunderte nach Jesu Tod entstanden ist. Was denkst Du, nach allem, was Du auch im Zusammenhang der Theologie des NT erfahren hast, dazu? Schreibe es auf.
Diese Kritik beruht darauf, dass im 4. Jahrhundert der christliche Glaube vom Römischen Reich anerkannt wurde. Aufgrund des dann einsetzenden großen Bedarfs an biblischen Schriften, wurden diese in Skriptorien vervielfältigt. Dabei geschahen manche Ungenauigkeiten, die aber aufgrund der Textkritik (s.u.) erkannt werden.
2. Historisch-kritische Exegese
(Historisch = den Text aus seiner Zeit heraus verstehen; kritisch = das mit Hilfe von Methoden, deren Ergebnisse zur Diskussion gestellt werden; Exegese = den ursprünglichen Sinn aus dem Text herausführen.)
Methoden historisch-kritischer Exegese wurden im Laufe der letzten 200 Jahre entwickelt. Folgende Methoden und Gesichtspunkte müssen bei der Textarbeit berücksichtigt werden:
2.1 Einleitungsfragen: die 7 W´s: Wer ist der Autor? Wo, Wann, Wem, Wozu/Warum schrieb er den Text? Was schrieb er (Themen) und Wie (Gattung).
2.2 In der Textkritik wird mit Hilfe sämtlicher noch vorhandener Textzeugen (Papyri, Pergamente …) der ursprüngliche Text wieder hergestellt. Es gibt von keinen antiken Werken so viele aufegfundene Fragmente und alte Handschriften wie von der Bibel. Es sind trausende. Diese werden gesammelt und miteinander verglichen, damit ein Text hergestellt werden kann, der nach unserer heutigen Sicht dem ursprünglichen Text entspricht. (Das ist ein komplizierter Prozess, der mit sämtlichem Scharfsinn, Spürsinn und auch technischen Hilfsmitteln durchgeführt wurde und wird.) (Freiwillig! Wer dazu mehr lesen will: https://de.wikipedia.org/wiki/Textkritik_des_Neuen_Testaments )
Auszug aus Nestle-Aland: Das Neue Testament. Griechisch und Deutsch, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 1986, 27. Auflage: Der Abschnitt unter dem griechischen Text wird Apparat genannt. Die Buchstaben und Zahlen im Apparat weisen auf Handschriften, die Zeichen im Text weisen auf die Handschriften, die im Apparat als Zeugen genannt werden.
2.3 In der Literarkritik wird eine Texteinheit aus dem Kontext herausgelöst und detailliert untersucht – das auch mit Hilfe linguistischer Methoden: Syntaktische Analyse: Welche Wortarten beherrschen den Text (z.B. Substantive, Adjektive, Verben), wie werden die Verben verwendet (Präsens…; Imperative…; Konjunktive…), herrschen Wiederholungen, gibt es Satzbrüche… Semantische Analyse: Was bedeuten die verwendeten Worte allgemein – was in diesem Text? Pragmatische Analyse: Welche Wirkung sollen die Worte hervorrufen (rhetorische Fragen, Reime, dunkle/helle Vokale…)
Anhand der Literarkritik erkennt man an den Evangelien, dass Matthäus und Lukas auf dem Markusevangelium und der Logienquelle mit Namen „Q“ (von Q-uelle) basieren – die so genannte Zweiquellentheorie. (Logien – eine Sammlung von Worten = Aussagen Jesu). Darüber hinaus haben beide noch Sondergut, das heißt Texte, die nur das jeweilige Evangelium besitzt.
Eine Arbeitshilfe, um die Evangelien miteinander vergleichen zu können, wird Synopse (Zusammenschau) genannt:
2.4 In der Formgeschichte wird untersucht, welcher Gattung ein Text angehört. Denn Gattungen haben für das Verstehen eines Textes große Bedeutung (Beispiel: Rezepte, Zeitungsnachrichten): Gleichnisse sind anders aufgebaut als Wunder – darum dürfen Wunder nicht wie Gleichnisse interpretiert werden. Texte einer Gattung haben in etwa gleichen Aufbau. Am Beispiel Wunder: Wundertäter kommt, der Kranke kommt, Begegnung gelingt, Machtwort des Wundertäters; Demonstration der Heilung, Staunen der Zuschauer. Wird die Gattung in einem Text verändert, dann liegt der Interpretationsschwerpunkt auf diese Abänderung. (Beispiel: das Wunder in Markus 2: Sündenvergebung)
2.5 Die Frage nach dem Historischen Jesus. In dieser Fragestellung wird untersucht, welche Worte wirklich von Jesus gesagt wurden – und welche ihm nachträglich zugeschrieben worden sind. Einzelne Fragestellungen: Kriterium der Sprache (aramäisch-griechisch?: das Vaterunser lässt sich aus dem Aramäischen, der Alltagssprache in Jesu Zeit, erklären); Kriterium der Kohärenz ([a] passt das Wort/die Handlung sonst zu Worten und Taten Jesu? – Beispiel: Die Austreibung der Händler aus dem Tempel lässt sich mit keiner weiteren seiner Taten und Worte verbinden. [b] Passt das Wort in seine jüdische Tradition?); Kriterium der Differenz (es gibt Worte, die wir nur von Jesus überliefert haben – er unterscheidet sich darin von allen anderen; Aussagen, die neu sind, prägen sich ein, z.B. das Feindesliebegebot oder das Wort: Was du willst, dass dir andere tun, das tue ihnen); Kriterium des Wachstums (manche Aussagen Jesu wurden später erweitert; mögliches Beispiel das Gleichnis vom Senfkorn, das mit alttestamentlichen Zitaten erweitert worden ist); Kriterium der geschichtlichen Wirkung (Beispiele: Abendmahl wird von der Gemeinde seit Jesus ununterbrochen gefeiert; Heilungen Jesu führten Christen dazu, Krankenhäuser zu entwickeln…); Lerntheoretische Aspekte (5 Bitten – fünf Finger an der Hand – bzw. 7 Bitten – heilige Zahl – des Vaterunsers).
2.6 Traditionsgeschichte untersucht: Wie wurden die Aussagen in der Zeit des Autors verstanden (z.B. Taufe wurde damals anders verstanden als heute).
2.7 Wird eine religionsgeschichtliche Parallele entdeckt, fragt der Methodenschritt Religionsgeschichte danach, wie kommt es zu dieser Parallelität (Abhängigkeit nachweisbar/denkbar, allgemein menschliche Aussage… z.B. das Bildwort vom Haus, das auf dem Sand gebaut wurde aus Matthäus 7, das gibt es auch in buddhistischer Überlieferung)
2.8 Sozialgeschichte untersucht die sozialen Interaktionen: Sklave-Herr; Mann-Frau-Kind; Herrscher-Beherrschte; Gesunde-Kranke, Bildung, Berufe …
2.9 Psychologie untersucht die psychischen Hintergründe der Textüberlieferung, der Autoren, derer, die den Text rezipieren.
2.10 In diesem Schritt „Zeitgeschichte“ wird alles Mögliche zusammengefasst: Numismatik (Münzen); Pflanzen, Tiere, Wetter, Landschaften, Spielzeug, Handwerk, Kunst…
2.11 Redaktionskritik untersucht die Vorgehensweise des Autors bzw. Redaktors. In den Evangelien wurden gesammelte Texte zusammengestellt. Wie wurden sie zusammengestellt, warum wurden sie so zusammengefügt wie sie nun vorliegen, welches Interesse verfolgte der Autor damit? Zum Beispiel Markus 6: Markus hat hier schon einen Hinweis auf das traurige Ende eingefügt: Immer mehr Menschen kommen zu Jesus – und ab einem bestimmten Zeitpunkt (nachdem er mit den religiösen Autoritäten in Konflikt kam – Markus 9) verlassen ihn die Menschen wieder, am Ende ist er allein und stirbt am Kreuz. An den anderen Evangelien kann man deutlich sehen, wie Worte ausgetauscht werden (z.B.: Matthäus spricht kaum vom Reich Gottes, sondern vom Himmelreich, weil er als Jude nicht das heilige Wort „Gott“ aussprechen wollte?).
2.12 Hermeneutik – abgeleitet von „Hermes“, dem Götterboten – was muss bei der Vermittlung eines Textes berücksichtigt werden: der Text, Erwartungen der Adressaten, die Gebundenheit an die eigene Tradition… (Dazu s. die Ausführungen: https://mini.evangelische-religion.de/hermeneutik-grundsaetzliche-einfuehrung/ )
Aufgabe 6:
Schreibe Dir die fettgedruckten Fach-Begriffe in einer Spalte heraus und die (soweit vorhanden) zu ihnen gehörenden kursiv gedruckten Begriffe. Mache Dir in der zweiten Spalte Notizen zu diesen Begriffen.
3. Bibel: Dreifacher / vierfacher Schriftsinn
Jüdische Theologen haben herausgefunden, dass man biblische Texte (AT) nicht allein wörtlich verstehen darf, sondern auch im übertragenen Sinn verstehen muss (vor allem der im ägyptischen Alexandria lebende Zeitgenosse Jesu Philo von Alexandrien: 15 v.-45 n. Chr.). Der Grund dafür liegt darin, dass man historische Angaben nicht besonders erbaulich fand, darum versuchte man, sie allegorisch (im übertragenen Sinn) zu interpretieren. Manche Aussagen sind anstößig – und auch diese versuchte man hierdurch zu umgehen. Diese Interpretationsmethode kannte man auch im heidnischen Bereich. So versuchten Homer-Exegeten der Antike die anstößigen Stellen über die Götter in den Epen von Homer neu zu verstehen.
Diese Ansätze haben christliche Theologen aufgenommen – und dann vor allem im 3. Jahrhundert systematisiert. So wurde ein dreifacher Schriftsinn erarbeitet (Origenes). Wie der Mensch aus drei „Teilen“ besteht (Körper, Seele, Geist), so auch die Interpretation:
Körper:
der geschichtliche Sinn – der einfache Mensch versteht den Text so, wie er zu lesen ist, grammatisch, historisch, wörtlich.
Seele/Psyche:
der psychische/allegorische Sinn – der intellektuell fortgeschrittene Mensch versteht den Text im übertragenen Sinn.
Geist:
der geistlich vollkommene Mensch versteht ihn spirituell.
Dieser dreifache Schriftsinn wurde durch Cassian (+ um 430) zu einem vierfachen Schriftsinn weiter geführt:
- Literalsinn – wörtlich, historisch
- Typologisch – den Glauben fördernde Auslegung (theologische Relevanz)
- Tropologisch – die Liebe fördernde Auslegung (ethische Relevanz)
- Anagogisch – die Hoffnung fördernde Auslegung (eschatologische Relevanz: ewiges Leben…)
Vor allem im 20. Jahrhundert legte man in der Wissenschaft den Schwerpunkt auf den „Literalsinn“ – im Sinne von: Was ist historisch wirklich begründet, was steht genau im Text. Im alltäglichen Glauben spielen eher die drei anderen Auslegungsarten eine Rolle: fördert der einzelne Bibeltext Glaube – Liebe – Hoffnung?
Heute verstehen immer mehr Exegeten (Wissenschaftler, die sich mit dem biblischen Text beschäftigen) historische Wissenschaft + Glaube vermittelnd, den Text mit Hilfe der Linguistik:
Was geschah historisch wirklich; jedoch weiter führend:
Welche Absicht verfolgten die Autoren? Wie haben die Adressaten den Text verstehen können? Das sagt nichts mehr zu den historischen Ereignissen – das sagt was zu den historischen Hintergründen der Textüberlieferung. Auch dieser Ansatz kann Glauben nicht durch Wissenschaft ersetzen, lässt dem Glauben aber mehr Raum.
Beispiel:
Historisch sagt man: Jesus hat als Mensch nicht über das Wasser laufen können. Weitergehend fragt man dann heute: Warum wird das berichtet? Die Menschen damals waren auch nicht dumm – es ging darum, narrativ zu vermitteln, dass Jesus Christus auch über die Chaosmächte (Wasser-Sturm) herrschte. Was sind die jeweiligen geschichtlichen Chaosmächte? Als die Geschichte überliefert wurde, war es der römisch-jüdische Krieg, individualpsychologisch: Alles was Angst macht. Weiterhin kommt man zu der Frage: Was war Jesus für ein Mensch, dass sich solche Texte um ihn herum ranken konnten? Gibt es einen historischen Kern, der ausgeschmückt wurde? Gibt es einen (sozio-)psychologisch zu verstehenden Kern?
Aufgabe 7:
Notiere Dir auch hier die Fachbegriffe.
Präge Dir all die notierten Fachbegriffe ein.
Aufgabe 8:
Wie siehst Du das:
Genügt es, die Bibel allein aus historischer Perspektive zu lesen? (Also wie alle anderen historischen Texte auch?)
Genügt es, die Bibel allein aus der Perspektive des Glaubens zu lesen?
Sollte die Bibel auch aus der historischen Perspektive und der Perspektive des Glaubens gelesen werden?
Gibt es weitere Aspekte?
Begründe Deine Meinung.
Aufgabe 9:
Fördert der folgende Text: Glaube, Liebe, Hoffnung?
Dazu lies das Gleichnis vom verlorenen Sohn: Lukas 15,11-32. https://www.bibleserver.com/LUT/Lukas15 Fördert das Gleichnis diese drei wichtigen Lebensgrundlagen?
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Ausgangspunkt dieses Liedes ist Psalm 119,105: Dein Wort (Gott) ist meines Fußes Leuchte und Licht auf meinem Wege.
Aufgabe 10: Wie interpretiert das Lied diesen Psalmtext, wie führt er ihn weiter?
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Nachtrag (20.03.2021)
Für Glaubende ist die Bibel jedoch nicht nur subjektiv Gottes Wort – sie ist es durch die Auslegung durch den Heiligen Geist auch objektiv. Das bedeutet:
- Gott spricht durch die Bibel.
- Gott lässt in der Bibel viel von sich erkennen. Durch sie zeigt er auch, wo der Mensch ihn in seinem Alltag erkennen kann. Kurz: Sie öffnet die Augen für Gott im Leben, in der Schöpfung. (Schöpfung als zweites Buch Gottes benötigt das erste Buch, die Bibel.)
- Gott hat sie Menschen als Lebensgrundlage gegeben.
- Gott selbst ist es, der Menschen durch die Bibel in Frage stellt, sie leitet und stärkt.
- Die Bibel ist ein Wegweiser in diesem Leben zum kommenden Leben.
- Gott bildet durch sie Gemeinde, er leitet durch sie die Gemeinde, er erhält durch sie die Gemeinde. Weltweit. Durch alle Zeiten hindurch.
Jesus Christus ist das primäre Wort Gottes – das die Bibel als Wort Gottes durchleuchtet.
Neutestamentliche Autoren sagen zum Alten Testament (das Neue Testament gab es ja noch nicht):
Alle Schrift, von Gott durch den Geist eingegeben, hilft richtig zu lehren, hilft, Menschen zur Besserung zurechtzuweisen, dient der Erziehung zur Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes vollkommen wird, zu allem guten Werk geschickt. (2. Timotheus 3,16-17; vgl. Hebräer 4,12)
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Aufgabe 11: Fasse kurz zusammen, was Du in diesem Abschnitt gelernt hast. Was neu war, was Du kritisch siehst, was unverständlich ist.